«Standardtanz ist Kunst und Sport zugleich»

Das Standardtanz-Paar Marlise Reichen & Peter Nydegger

Wir beleuchten für euch den Standardtanz und seine Schweizer Szene. Ein Gespräch mit den Schweizer Meistern in der Kategorie Senioren IV, Marlise Reichen und Peter Nydegger.

 

Wie lange tanzen Sie beide schon gemeinsam Standardtanz?

Peter Nydegger: Es ist 18 Jahre her, dass wir begonnen haben, gemeinsam zu tanzen. Vor 15 Jahren haben wir dann auch das erste Turnier absolviert. Ich hatte schon zuvor Turniere getanzt.

Marlise Reichen: Für mich war es das erste Turnier. Im Vergleich zu vielen Tanzkolleginnen und -kollegen habe ich eher spät zum Standardtanz gefunden. Das Gute am Standardtanz ist, dass es ein Sport ist, in dem man auch im fortgeschrittenen Alter anfangen und noch vieles erreichen kann.

Was gefällt Ihnen so am Standardtanz?

Marlise: Die Bewegung zur Musik und die gemeinsamen Ziele, die wir als Paar verfolgen. Zudem kann man beim Tanzen wunderbar abschalten und den Alltag hinter sich lassen.

Peter: Standardtanz ist Kunst und Sport zugleich. Diese beiden Disziplinen zu vereinen, fasziniert mich. Auch die Herausforderung, mit meiner Partnerin perfekt zu harmonieren, reizt mich sehr. Wo mir doch einst ein Gesangslehrer sagte, dass ich völlig unmusikalisch sei.

Sie beide sind dieses Jahr Schweizer Meister in der Kategorie Senioren IV geworden. So unmusikalisch können Sie ja nicht sein.

Marlise: Wir sind bereits insgesamt fünf Mal Schweizer Meister im Standardtanz geworden. In der Schweiz zu tanzen, ist aber nicht vergleichbar mit Turnieren im Ausland.

 

«Das Niveau an internationalen Standardtanz-Turnieren ist höher, weil die Konkurrenz grösser ist.»

   

Was unterscheidet Schweizer Turniere und ausländische Turniere?

Peter: Das Niveau an internationalen Turnieren ist höher, weil die Konkurrenz grösser ist. Es tanzen mehr Paare in einer Klasse.

Marlise: Wir haben uns sehr schnell in die höchste Klasse, genannt Klasse S, getanzt. Die ersten ausländischen Turniere waren dann zunächst etwas frustrierend, weil das Niveau so viel höher war. Mittlerweile können wir auch in der vorderen Tabellenhälfte mithalten.

 

Worauf sind die Unterschiede zwischen der Schweiz und dem Ausland zurückzuführen?

Peter: Im Vergleich zu Deutschland, Italien oder Osteuropa ist Standardtanz in der Schweiz einfach weniger populär. Das Angebot ist klein, entsprechend auch die Konkurrenz. Deshalb trainieren wir vor allem mit Trainern aus dem Ausland.

Erarbeiten Sie Ihre Turnier-Choreografien gemeinsam mit den Trainern?

Peter: Ja. Dabei legen wir sie auf internationale Turniere aus. Die Crux ist dann, diese auf Schweizer Turniere anzupassen. Denn in der Schweiz ist die Tanzfläche mit 150 bis 180 Quadratmetern halb so gross wie an internationalen Turnieren.

Welche Tänze tanzt man eigentlich im Standardtanz?

Marlise: Es gibt fünf Tänze: den Englischwalzer, den europäischen Tango, Wienerwalzer und Slow Fox sowie den Quick Step.

Haben Sie einen Favoriten?

Marlise: Der Slow Fox war lange mein Favorit. Leider haben wir uns darin nicht so steigern können, wie in den anderen Tänzen. Mittlerweile tanzen wir beide den Englischwalzer am liebsten. Am besten bewertet sind wir aber im Tango.

Was genau wird an den Turnieren bewertet?

Peter: Es gibt klare Kriterien. Dazu zählen Takt, Haltung und Paarharmonie, Interpretation der Musik und Bodenbeherrschung, im Fachjargon floor craft genannt.

Können Sie Letzteres näher erklären?

Marlise: Man tanzt ja immer mit mehreren Paaren auf dem Parkett. Der Mann muss so führen, dass wir nicht mit anderen Paaren kollidieren und immer in Bewegung bleiben. Er muss alles im Auge behalten und improvisieren können, ohne aus der Choreografie zu fallen.

«Die Paarharmonie ist eine der grössten Herausforderungen des Standardtanzes.»

 

Das klingt sehr anspruchsvoll…

Peter: Die Paarharmonie ist eine der grössten Herausforderungen des Standardtanzes. Wir kommunizieren ausschliesslich über die Körperspannung. Es sind nur minimale Bewegungen meines Torsos und meiner Kopfhaltung, mit denen ich meiner Partnerin zu verstehen gebe, was zu tun ist.

Werden die glamourösen Outfits und Frisuren ebenfalls bewertet?

Marlise: Eigentlich sollten diese nicht in die Bewertung einfliessen. Fakt aber ist wohl, dass man sich nicht nur durch den Tanzstil, sondern auch durch das Outfit von den anderen Paaren auf dem Tanzparkett abhebt. Wichtig ist auch, dass die Frau eine nackenfreie Frisur trägt, damit die Haltung bewertet werden kann.

Wie sieht es mit den Schuhen aus? Diese sind sicher besonders wichtig.

Marlise: Man braucht spezielle Chrom-Leder-Schuhe. Frau trägt immer Absatz, so dass sie auf dem Fussballen tanzt. So hat sie genug Flexibilität in den Beinen, die sie für die vielen Rückwärtsbewegungen benötigt. Ich trage im Training dieselbe Absatzhöhe wie am Turnier.

Verfolgen Sie das Ziel, auch mal eine internationale Meisterschaft zu gewinnen?

Marlise: Uns ist der Spass wichtiger. Je weiter man kommt, desto mehr Fläche hat man zur Verfügung, weil weniger Paare tanzen. Das geniessen wir immer sehr.

Peter: Und man kann mehrmals tanzen. In der ersten Runde ist man meistens noch etwas steif. Hat man sich warm getanzt, macht es besonders viel Spass.

 

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(2. Bild: Blackpool Dance Festival Senior Ballroom 22. Mai 2009, © Churbanov Alexander)

[Text: Maja Hornik] [2. Bild: Blackpool Dance Festival Senior Ballroom 22. Mai 2009, © Churbanov Alexander]