Timo Andenmatten steckt mitten in seinem Praktikum bei der «Conny Janssen Danst» Tanzkompanie in Rotterdam. Das Praktikum ist Teil seines Bachelor-Studiums «Contemporary Dance» der ZHdK (Zürcher Hochschule der Künste), wo er Ende Saison seinen Abschluss machen wird.
Der gebürtige Berner erhellt mit seinem sonnigen Gemüt jeden Tanzsaal. In einer ruhigen Minute zwischen seinen Showblöcken haben wir mit ihm telefoniert und über seine tänzerische Ausbildung und Ziele gesprochen – und was ihm neben dem Tanz sonst noch wichtig ist.
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Ballett Shop Bern: Du bist nun schon seit zwei Monaten in Rotterdam. Wie lebt es sich dort?
Timo: Sehr gut! Ich habe gerade eine intensive Woche mit vielen Shows hinter mir, jetzt kehrt gerade wieder etwas Ruhe ein. Aber eigentlich muss ich schon wieder meinen Koffer packen, denn ab nächster Woche touren wir bis Anfangs Dezember durch die Niederlande. Die Company ist wirklich toll, ich fühle mich sehr wohl und bin froh, hier zu sein.
War es schon immer dein Ziel, Tänzer zu werden?
Nein, ich bin ursprünglich Hochbauzeichner. Ich habe zu Beginn meiner Lehre ein neues Hobby gesucht und bin durch ein Gespräch mit meiner besten Freundin aufs Tanzen gekommen. So bin ich eines Tages in die New Dance Academy «gestolpert» und habe dort meine Passion entdeckt. Ich habe mich immer mehr aufs Tanzen fokussiert und begann mit dem Gedanken zu spielen, wie toll es wäre, diese Leidenschaft zum Beruf zu machen. Darum habe ich mich dann fürs Studium beworben, wurde angenommen – und jetzt bin ich hier.
Wie war deine Vorausbildung in Bern?
Ich habe mit 15 Jahren mit Jazz angefangen, dann kamen ziemlich bald House, Contemporary Dance, Streetjazz, etwas Hip Hop und Waacking und irgendwann auch Ballett dazu. Ich habe vor allem in der New Dance Academy und im BounceUrban trainiert. Eine Besonderheit in meinem Tanz-Stundenplan war sicherlich die Vielfältigkeit an Stilen und Lehrer:innen. So konnte ich mich in viele Richtungen gleichzeitig entwickeln.
Wie erlebst du die Ausbildung an der ZHdK?
Ich bin sehr froh, meine Ausbildung an der ZHdK machen zu können. Dieser Studiengang ermöglicht mir ein relativ kurzes dreijähriges Tanzstudium, das mich in so viele diverse Richtungen gefördert hat. Der Fokus an der ZHdK liegt unter anderem auf gesunder Technik und Bühnenpraxis – definitiv zwei Dinge, an denen man ständig arbeiten kann.
Was macht Tanz für dich so besonders?
Ich glaube, dass Tanz eine ganz spezielle Sprache ist, die du gefühlt überall verstehen wie auch interpretieren kannst. Das Schöne am Tanz ist für mich, dass es nicht nur EINE Bedeutung geben muss, es gibt immer Raum für Interpretation. Das ist das, was ich an dieser Kunstform besonders schätze.
Im Contemporary lässt sich meiner Meinung nach der eigene Ausdruck sowie die eigene Geschichte mit einfliessen – mehr noch als zum Beispiel im Ballett. Das reizt mich sehr.
Wie soll es nach deinem Abschluss weitergehen?
Ich möchte mich als professionellen Tänzer etablieren. Ich habe nun nicht nur einen Fuss in der Türe, wie man so schön sagt, sondern ich bin quasi schon mit beiden Beinen im Türrahmen. Ich muss jetzt einfach dranbleiben und weitergehen. Ich möchte weiterhin in Kompanien tanzen oder kann mir auch vorstellen, je nach Situation freelance zu arbeiten. Da bin ich offen.
Was würdest du in deiner Karriere gerne einmal tanzen?
Das Stück «Assembly Hall» von Crystal Pite fasziniert mich extrem, das würde ich gerne einmal tanzen. Oder auch unter dem Choreografen Yoann Bourgeois; seine Stücke finde ich wahnsinnig toll. Beide Choreograf:innen haben sowohl tänzerisch wie auch visuell extrem interessante Elemente. Sie tauchen immer tiefer in Konzepte mit der Intention, Leute zum Nachdenken zu bringen. Mir gefällt die Idee dahinter.
Was trägst du am liebsten beim Tanzen?
Ich halte es gerne simpel, was Bekleidung angeht, es muss vor allem praktisch (und langlebig) sein. Ich trage immer Basketball-Shorts, ein einfaches Top und lange Socken. Die Socken sind bei Floorwork wichtig, auch um die Oberseite des Fusses zu schützen. Wenn ich weiss, dass viel Floorwork angesagt ist, trage ich auch gerne Tanz-Knieschoner.
Was verbindest du mit dem Ballett Shop Bern?
Zu euch zu kommen, ist jedes Mal ein total angenehmes Erlebnis! Wenn ich neue Ballettschläppchen brauche und wiedermal nicht weiss, welche ich schon hatte, schaut ihr einfach nach oder wir finden zusammen etwas Neues (lacht). Ich komme immer gerne bei euch vorbei.
Was würdest du jüngeren Tänzer:innen mitgeben wollen, die dahin möchten, wo du jetzt bist?
Ich würde ihnen sagen: Passt auf euch auf und schaut, dass ihr auch etwas Anderes nebenbei macht. Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht – und deshalb braucht man irgendwann ein neues Hobby. Ich finde, man sollte sich nicht allein durch seinen Beruf definieren. Vergiss nicht, dass du auch ein Leben neben dem Tanzen hast.
Was machst du sonst noch – neben dem Tanzen?
Oh, da mache ich alles Mögliche. Ich koche und backe gerne, helfe zurzeit meinem Freund seine Wohnung zu renovieren, gehe mit Freund:innen andere Tanzstücke anschauen, gehe essen oder bowlen – ich mag es, unterschiedliche Sachen zu unternehmen und zu erleben.
Was ist dir im Leben wichtig?
Zufriedenheit. Ich lebe lieber im Moment als in der Zukunft oder in der Vergangenheit. So kann man das Leben am meisten geniessen. Für mich bedeutet im Jetzt zu leben auch immer, das Beste aus einer Situation zu machen.
[Fotos: Bühnen-Bilder von Martijn Kappers | Portrait von Andreas Terlaak]